Inhaltsverzeichnis
Vorwort
- Verzeichnis der Mühlen in der Stadt
- Die Herkunft der Akte
- Die Beschreibung der Akte
- Die Wasserzeichen
- Zum Inhalt der Handschrift
- Kurzer Abriß der Geschichte der Goslarer Trinkwasserversorgung
- Das System einer „Wasserreise“, zugleich eine Erklärung der in der Akte verwendeten Fachausdrücke
- Zum Kommentar
- Literatur und Anmerkungen zur Einleitung
- Leitungsstollen am Thomaswall
Text und Kommentar
- Wasserreisen aus der Penckequelle
- Marktbeckenwasser
- Wasserreisen aus dem Kupferbecken
- Wasserreisen aus dem Feuergraben
- Wasserreise aus dem Weidenbrunnen
- Wasserreiseraus dem Gosekanal
- Wasserreisen aus der Trüllke
- Verzeichnis der Freiröhren in den Gosewasserreisen
Anmerkungen und Literatur zum Kommentar
Anlagen
- Die Lage der vom Wasser abhängigen Gewerbebetriebe (ohne Mühlen)
- Personenregister
- Verzeichnis der Brenner und Brauer
- Register der Hauseigentümer nach der ‚Reihenfolge der Ass.-Nr.
- Die Herstellung der Holzröhren
- Orts- und Sachregister
- Das Marktbecken als Wasserfang für vier Wasserreisen
In Goslar ist nach dem Marktbrunnen nur noch der historische Brunnen am Breiten Tor erhalten
Vorwort
Nach der Veröffentlichung der Brandes-Chronik 1994 ist dies eine weitere Aufarbeitung einer Handschrift, die durch einen Zufall in meine Hände geriet. Es handelt sich um eine Akte, die ursprünglich in städtischem Besitz gewesen sein muß und die eine Bestandsaufnahme der 1828 in Goslar vorhandenen Trinkwasserleitungen enthalt. Bei einer flüchtigen Betrachtung scheint der Inhalt nüchtern, längst überholt und deshalb uninteressant zu sein.
In Wirklichkeit enthält es die Beschreibung eines für die Goslarer Geschichte wichtigen Versorgungssystems aus hölzernen Röhren, das-über einen Zeitraum von rd. 800 Jahren gut funktioniert hat. Die Beschreibung ist von einer Vollständigkeit, wie sie sonst aus dem Archivbestand nicht so einfach zu ermitteln wäre und gibt den Zustand ein halbes Jahrhundert vor dem Ende dieser Anlagen wieder. Dabei kann man annehmen, daß es vorher schon, bis auf evtl. Änderungen bei den Hausanschlüssen, so über viele Jahrhunderte bestanden hat.
Die Veröffentlichung ist wieder als Vervielfältigung des Manuskriptes erfolgt, um Druckkosten zu sparen. Nur so war es dem Museumsverein möglich, diese Leistung zu erbringen. Dafür meinen herzlichen Dank. Die Bearbeitung erfolgte nach dem Vorbild der Brandes Chronik: Einer wort- und zeilengetreuen Abschrift der Seiten ist ein ausführlicher Kommentar gegenüber gestellt. Dabei wird deutlich, wie viele Erkenntnisse auch für andere Sachgebiete aus dem nüchternen Text herauszulesen sind.
Die Beschreibung ermöglichte es, den jeweiligen Verlauf der Wasserreise auch zeichnerisch darzustellen. Aus Platzgründen mußte dafür ein kleiner Maßstab des heutigen Stadtplanes verwendet werden. Deshalb wurden die Hausanschlüsse nur schematisch dargestellt und die versorgten Grundstücke angekreuzt. Bei der Vielzahl der Leitungen im Straßenraum mußte auch darauf verzichtet werden, eine Gesamtübersicht zu zeichnen. Die Breite Straße mag dafür als Beispiel ausreichen.
Dieser Plan ist von mir vor 40 Jahren nach Angaben des Vorgängers von dem hier genannten Ludwig Kiene G. Ahrend in einem im Stadtarchiv verwahrten Vorgang von 1820 gezeichnet worden. Als Abbildung ist sie dann in meinem Bürgerhausbuch erstmals verwendet. In dem Zeitraum zwischen 1820 und 1828 ist die aus der Dedeleber- in die Vorwerkstraße führende Wallwasserreise aufgegeben, die übrigen Leitungen aber unverändert geblieben.
Die Beschreibung der Anschlüsse ist in dem nachstehend vorgestellten Verzeichnis so ausführlich, daß man deren Verlauf durch das Tor über die Däle zum Garten und weiter zum Nachbarn verfolgen könnte. Die Standorte der Entnahmestellen, der „Pfosten“, sind angegeben und die Zahlungspflichtigen für die Unterhaltungskosten der Röhrenzüge. Es ist insoweit ein interessantes Material z.B. zur Erforschung der hygienischen Verhältnisse in der Stadt und der Sozialstruktur.
Interessant sind die Lage und die Versorgung der vom Wasser und Abwasser abhängigen Betriebe. Darunter sind nicht nur die Mühlen zu verstehen, sondern z.B. auch Brauereien und (Schnaps-) Brennereien, Gerbereien und Walker, Schlachter und Töpfer. Für den Anfang des 19. Jahrhunderts, vor der Industrialisierung‚ sind hier insbesondere für die von der Abzucht und dem Gosekanal abseits liegenden Unternehmen Hinweise zu finden. Auf einige weitere Forschungsbereiche wird in den einleitenden Abschnitten noch eingegangen.
Die Herkunft der Akte
Im Jahre 1972 brachte mir ein Arbeiter vom städtischen Schuttplatz auf dem Bollrich mit dem schönen Flurnamen „Paradiesgrund“ einen lebensgroßen, aus weißem Marmor gehauenen Mädchenkopf. Er stammte aus dem Sperrmüll einer Wohnungsräumung‚ und war nach Meinung des Arbeiters zu schade für den Müll. Durch Zufall fand sich eine weitläufige Verwandte, in deren Besitz sich der Kopf heute befindet.
Interessant war dabei die Erzählung des Arbeiters, was so alles im Müll bei ihm landete. Ich wurde aufmerksam, als er eine Fuhre Bücher, Zeichnungen und Akten erwähnte, die wohl im Zusammenhang mit der Gebietsreform aus der Stadt und von Landgemeinden auf dem Schuttplatz abgelagert sei. Einige Tage nach diesem Besuch in meinem Amtszimmer ging ich zum Bollrich, um mir diesen „Schutt“ anzusehen.
Der Haufen Papier war schon teilweise verschüttet. Er bestand aus älteren Baufachbüchern, eingebundenen Bauzeitschriften, Lichtpausen und dergl. aus städtischem Besitz, Aktenstücken aus der Försterei Langelsheim und von einigen Landkreisorten. Ich habe davon einige Fachbücher und Forstaktendeckel mitgenommen. Einige Schriftstücke von Landgemeinden erhielt Frau Rollwage in Jerstedt. Als wichtigstes Stück erwies sich nach der Reinigung die hier veröffentlichte Akte.
Die Titelaufschrift „Beschreibung der sämmtlichen Wasserreisen….“ hatte mich vor Ort schon veranlaßt, gerade dieses Stück mitzunehmen, schließlich war meine „Tragfähigkeit“ begrenzt. Für mein Buch „Das Bürgerhaus von Goslar“ hatte ich, um die Besonderheit der Erschließungsanlagen in der Stadt deutlich zu machen, aus Archivunterlagen den komplizierten Verlauf der hölzernen Wasserreisen in der Breiten Straße zusammengezeichnet. Das war eine mühsame Arbeit. Jetzt lag ein sorgfältig geführtes Verzeichnis für ganz Goslar vor mir. Wenn ich es doch damals schon zur Hand gehabt hätte.
Zwanzig Jahre lang hat die Akte bei mir gelegen, bis ich endlich Zeit gefunden habe, sie abzuschreiben. Der Erfolg meiner ersten Weilarbeit „Die Brandes- Chronik“ hat mir Mut gemacht, auch diese Akte mit einer entsprechenden Bearbeitung, einem technischen und einem stadthistorischen Kommentar zu vervielfältigen und so einer weitergehenden Forschung zugänglich zu machen. Mein Vorwort über die Weilarbeit in der Brandes-Chronik gilt im übertragenen Sinne auch für diese Veröffentlichung.
Nach der Drucklegung wird die Akte in das Stadtarchiv abgegeben. Dort wird sie besser aufgehoben sein als früher in der Plankammer des Stadtbauamtes. Techniker und Ingenieure sind der Zukunft zugewandt. Für die verschwundenen Ingenieur-Anlagen aus ihrer Vorzeit haben sie nur selten Verständnis. Möge diese Akte die Aufmerksamkeit finden, die sie verdient.
Auf den Deckel geklebte Etikett
Die Beschreibung der Akte
Die Akte im Folio-Format (20 x 32 cm) besitzt einen grünen Pappeinband mit einem aufgeklebten Titeletikett. Dieses ist an den Rändern stark kurvig ausgeschnitten. 4 Lagen Büttenpapier aus je 5 Doppelblättern sind mit einer feinen Schnur geheftet. Ein weiterer Doppelbogen ist innen auf den Einband ganzflächig aufgeklebt, um die beiden durch die Heftung gezogenen Haftstreifen zu verdecken.
Das kräftige Büttenpapier besitzt keine Wasserzeichen. Der aufgeklebte Bogen ist dagegen am oberen Rand mit einer 2 cm großen Buchstabenfolge als Wasserzeichen versehen. Wahrscheinlich stammen diese Bögen aus einer anderen Papiermühle. Der Abstand der Hauptdrähte des Siebes beträgt beim Vorsatz 2,7, bei den Bögen der Lagen dagegen 3 cm.
Die eigentliche Auflistung von dem „Wassermeister“ Kiehne ist mit einer sehr weiten Handschrift geschrieben. Nach der Unterschrift „Ludewig Kiehne“ auf dem Titelblatt zu urteilen, nicht von diesem selbst, sondern von einem geübten „Schönschreiber“ (Man beachte z.B. das K der Unterschrift mit einem K im Text). Dadurch, daß die Buchstaben so weit auseinander gezogen sind und ein 4,5 cm breiter Rand belassen wurde, wirken die Seiten gut gefüllt, haben aber nur wenig Inhalt.
Ohne Linierung enthalten die Seiten im Durchschnitt 26 Zeilen Text. Einen Anhaltspunkt für die saubere Linienführung mag das leicht aufgeprägte Muster des Schöpfsiebes gewesen sein. Die Rechtschreibung weicht nur geringfügig von der heutigen ab. Bemerkenswert sind der häufige und falsche Gebrauch der Komma, dem statt den und die zusätzliche oder falsche Stellung des h z.B. bei Thor, Einfarth usw. Weiterhin fällt auf, daß Wasser fast ausschließlich mit „ß“ statt ss geschrieben und häufig das ck statt des einfachen k vorkommt. Vielleicht spielen hierbei überkommene Formen eine Rolle, denn solche Varianten sind besonders häufig bei Straßennamen wie Marckt und Bäcker bzw. Beckerstr. Da es damals noch keine Rechtschreibregeln gab, sind diese und weitere „Fehler“ jedoch nur aus unserer heutigen Auffassung beachtlich.
Die Akte ist mehrfach von anderen bearbeitet und ergänzt worden. Dabei ist deren Reihenfolge nicht erkennbar. So sind nachträglich die Ass- Nr. der Häuser, Gärten und unbebauten Brandstellen im Verlauf einer Wasserreise mit einer sehr stark verdünnten Tinte nachgetragen worden. Diese Tinte wurde nach etwa 1/3 der Seiten weiter bis fast zur Unlesbarkeit verdünnt und im letzten Drittel mit roter Tinte wieder etwas aufgefrischt.
Die Ass-Nr. wurden nur in der Nähe des genannten Objektes zwischen den Zeilen oder auf dem Rand eingetragen. In dem hier wiedergegebenen Text sind sie an die logische Stelle gesetzt. Dabei wurde die Schreibform der „No:“ in No vereinfacht, um die Schriftzeile nicht weiter zu verlängern. Diese Ass-Nr. sind für die Feststellung des jeweiligen Grundstücks von entscheidender Bedeutung.
Ein zweiter Nachtrag sind die Randnotizen zur Anzahl der „Freiröhren“ in der jeweiligen Wasserreise. Sie beginnen mit „ad 11.,“ Von der gleichen Hand stammt auch die Auflistung aller Wasserreisen mit Freiröhren auf dem letzten Blatt der Akte.
Der dritte Nachtrag ist eine Anzahl längerer Randnotizen, die zum Teil Ergänzungen zu der Beschreibung des Verlaufs der Wasserreise, immer jedoch eine zusätzliche Aufschlüsselung von Kostenanteilen der „Interessenten“, also der Nutznießer der Wasserleitung enthalten. Oft sind dabei „Marken“ zur Abgrenzung eines selbst zu erhaltenden Leitungsabschnittes erwähnt.
Eine vierte „Bearbeitung“ ist nur durch einige blaue Tintenpunkte und einen längeren blauen Randstrich auf Seite 20r zu vermuten. Schließlich finden sich auf dem Titeletikett oben noch ein Sichtvermerk und unten ein Vorlage-Hinweis an den Stadtsyndikus Dr. Sandvoß mit der „Fach-Nr.“ der alten Registratur. Die Akte hat 1828 demnach eine große Bedeutung gehabt und ist durch viele Hände gegangen.
Die alte Zentralregistratur befand sich in der ehemaligen Marienkapelle des Rathauses unter dem Huldigungssaal. Hier standen viele Regale, in deren Fächern die Akten eingeordnet lagen. Die Fach-Nr. diente zur Registrierung. Unsere Akte wurde demnach dieser Registratur einmal entnommen und nicht zurückgegeben. Nach dem 2. Weltkrieg wurde. die Zentralregistratur aufgegeben und der Altbestand in das Stadtarchiv überführt. Durch die Einführung einer Sachbearbeiteraktei wurden die Stellen eines Registrators und eines Aktenhefters eingespart.
Art und Inhalt der Akte lassen darauf schließen, daß sie angelegt wurde , um die unübersichtlich gewordenen Eigentumsverhältnisse an dem Streckenverlauf der Wasserreisen zu klären. Damit verbunden war die Kostenfrage für deren Unterhalt und schließlich das „Wassergeld“, das die Nutzer an die Stadt zu zahlen hatten. Über die Höhe solcher Kosten finden sich leider nur wenige Randnotizen in diesem Vorgang. Es muß dafür noch ein weiteres Aktenstück bestanden haben.
Ein Satz auf Seite 39r läßt vermuten, daß der Ludwig Kiehne nicht nur die städtischen „Freiröhren“ wartete, sondern auch die Privatanschlüsse mit betreut hat. Zumindest erhielt er vom Kloster Frankenberg – damals Braunschweiger Hoheitsgebiet – jährlich 26 Taler für die Wartung von der Wasserreise aus der Trüllke bis in deren Garten.
Die sehr gleichmäßige Schrift, die keine Abnutzungserscheinungen der Feder erkennen läßt, dürfte durch die Verwendung einer Metall-Schreibfeder zu erklären sein. Es ist interessant, daß in der Entstehungszeitunserer Schrift 1830 der Buchbinder Giesecke am Markt zur Geschäftseröffnung solche Federn in der Goslarschen Zeitung zum Verkauf anbot. Die nachträglich hinzugefügten rötlichen Ass-Nr. wurden dagegen noch mit dem Gänsekiel geschrieben, wie es die stark unterschiedlichen Auf- und Abstriche andeuten. Das gilt auch für den Titel auf dem aufgeklebten Zettel des Einbanddeckels unserer Schrift,
Die Wasserzeichen der auf die Innenseiten der Einbanddeckel geklebten Bögen.